Definition der Valenz

H. Brinkmann bezieht im Anschluβ an Tesniere L. nur die Aktanten, nicht die Adverbiallbestimmungen in die Valenz ein, obwohl auch diese Adverbiallbestimmungen im deutschen satz strukturell notwendig sein können. Sätze wie „Er legt das Buch auf den Tisch“ oder „Berlin liegtan der Spree“ können nicht um die Umstandsbestimmung reduziert werden, ohne daβ sie ihren Charakter als Satz verlieren.

Bei J. Erben taucht der Valenzbegriff unter dem Terminus „Wertigkeit“ auf. Für ihn bildet das Verb im deutschen Satz den charakterischen Aussagekern. Von diesem Aussagekern hängt es wesentlich ab, welche und wieviel Ergänzungsbestimmungen mit dem Verb auftreten.

J. Erben erhält im Resultat seiner Aufgliederung vier Grundmodelle der Sätze, entsprechend den ein- zwei- drei- und vierwertigen Verben.

Im Unterschied zu Tesniere und Brinkmann sieht Erben als Ergänzungsbestimmungen des Verbes nicht nur Subjekte, sondern auch Prädikativa, notwendige Präpositiionalobjekte und Adverbialbestimmungen an.

P. Grebe[9], D. Schulz, H. Griesbach, die das verb als Organisationszentrum des Satzes betrachten, unterschieden obligatorische Prädikatsergänzungen und freie Angaben, die in Satz weggelassen werden können.

Zu den Prädikatsergänzungen gehören auch verschiedene syntaktisch obligatorische Adverbialbestimmungen: z.B. Mein Freuend wohnt in einem Hotel; das Fest dauerte bis zum Morgen; das Feuer entstand durch Leichtsinn:  Diese Adverbialen sind obligatorische Mitspieler des Verbs.

Sie können nicht weggelassen werden, weil diese sätze dann ungrammatisch werden. Freie Angaben umgekehrt können eliminiert werden, wobei der Satz grammatisch richtig bleibt. Z.B. Ich will in Berlin einen Freund besuchen;


 W.G. Admoni[10] spricht von der Valenz als von der Fügungspotenz, die allen Redeteilen eigen ist und unter dem Einfluβ des Kontextes und der Situation teilweise aktualisiert wird. Diese Potenzen ‚schlummern“ im Redeteil und werden im konkreten Redeprozeβ zum Leben erweckt.

W.G. Admoni unterscheidet obligatorische und fakultative Fügungspotenzen: „Einige Beziehungen sind obligatorisch, d.h. ohne an ihnen teilzunehmen, kann die Wortart überhaupt im Satz nicht erscheinen. Die anderen sind fakultativ, d.h. der Redeteil kann sie auch entbehren“[11].

So ist die Beziehung des attributeven Adjektivs zum Substantiv obligatorisch, weil ein Attribut im Satz ohene Substantiv nicht stehen kann. Die Beziehung des Substantivs zum attributiven Adjektiv ist dagegen fakultativ, denn das Substantiv kann in der Rede auch ohne das attributive Adjektiv gebraucht werden. Z.B. Das [kein] Mädchen begann zu weinen.

Auf solche weise berühren sich die Begriffe „obligatorisch“ und „fakultativ“ mit den Begriffen „abhängig“ und „dominierend“. Die Beziehungen des „abhängigen“ Redeteils zum dominierenden ist für Admoni „obligatorisch’. Die Beziehung des „dominierenden“ Glieds zum „abhängigen“ kann jedoch sowohl „fakultativ“ als auch „obligatorisch“ sein.

Es hängt für Admoni  von semantischen Gründen ab[12]. Was Admoni unter obligatorischen und fakultativen Fügungspotenzen versteht, wird am greifbarsten in seiner Beshreibung der Fügungspotenzen des Substantivs im Akkusativ[13].   

In diesem Fall sind für W.Admoni jene Fügungspotenzen obligatorisch, die der Akkusativ zu den ihm übergerdneten Gliedern hat (vor allem zum Verb, zum Adjektiv und zu bestimmten Präpositionen), zu Gliedern, von deren er syntaktisch abhängig ist.

Als fakultativ erscheinen die Fügungspotenzen, die der Akkusativ zu den ihm untergeordneten Gliedern hat (vor allem zu Attributen und Pronomina), die vom Akkusativ syntaktisch abhängig sind. G.Helbig verlangt den Anwendungabereich der Termini „Fügungspotenzen“ und „Valenz“ klar zu trennen. Der Terminus „Fügungspotenzen“ kann als Oberbegriff gelten.


 Von G.Helbig wird die Valenz vorwiegend als syntaktisches Phänomen betrachtet. Er hält das Verb für das syntaktische Zentrum des Satzes, an das bestimmte Aktanten gebunden sind.

G.Helbig versteht unter Valenz die Fähigkeit des Verbs, bestimmte Leerstellen im Satz zu eröffnen, die durch obligatorische oder fakultative Aktanten zu besetzen sind[14].

G.Helbig unterscheidet 3 Arten der Satzglieder:

1)     Obligatorische Aktanten                     Aktanten sind Valenzgebundene Glieder

2)     Fakultative Aktanten

3)     Freie Angaben         nicht Valenzgebunden, sie können beliebig, hinzugefügt und weggelassen werden.

Die Aktanten sind im Stellenplan des Verbs vorgesehen und zahlenmäβig begränzt fakultative Aktanten sind unter bestimmten Bedingungen weglaβbar, sie werden stets mitgedacht, aber oblegatorische Aktanten können nicht eliminiert werden.     

 Interessant ist die Konzeption, die von K.-E. Sommerfeld und H. Schreiber vertreten ist. Sie unterscheiden 3 Arten der Valenz[15].

1)     Die logische Valenz (in der Begriffstruktur). Unter der logischen Valenz werden begriffliche Relationen verstanden. Auf Grund dieser Valenz unterscheidet  man begrifflich angelegte und begrifflich nicht angelegte Partner des Wortes. Z.B. „ein grüner Baum“, aber „eine gratze“.

2)     Die semantische Valenz. (konkrete sprachliche Struktur) Hierunter ist die Tatsache zu verstehen, daβ bestimmte Wörter bestimmte Partner verlangen. Diese Partner müssen bestimmte Bedeutungselemente besitzen, um eine Verbindung eingehen zu können. Und über diese Bedeutungselementeverfügt nicht nur das Verb, sondern auch andere Wortarten.

3)     Die syntaktische Valenz (konkrete sprachliche Struktur). Unter der syntaktischen Valenz wird die Tatsache verstanden, daβ die Valenzträger auf grund ihrer kategorialen Angehörigkeit und auf Grund ihrer Verbindungsmittel syntaktische Rolle der Mitspieler und ihre morphologische Struktur der Mitspieler bestimmten[16] z.B. Das Verb „danken“ fordert 3 Aktanten:

1.     ein Substantiv im Nominativ;

2.     ein Substantiv im Dativ;

3.     eine Präpositionalgruppe mit „für“;

Ich danke dir für deine Hilfe.

                         1               2          3

         In der vorliegenden Abhandlung wählen wir im Anschluβ an K.-E. Sommerfeld und H. Schreiber als Ausgangspunkt 3 Valenzauffassungen:

1)     Logisch – begrifflichhe Valenz, das es nur begrifflich angelegte und  begrifflich nicht angelegte Partner geben kann.

2)     Semantische Valenz, worunter die Tatsache zu verstehen ist, daβ bestimmte Wörter bestimmte Partner verlangen.

3)     Syntaktische Valenz, hierunter fassen wir die tatsache, daβ die Valenzträger auf Grund ihrer Wortaufprägung die syntaktische Rolle und die morphologische Form ihrer Aktanten festlegen.

         Unter Valenz verstehen wir die Fähigkeit eines Wortes, auf Grund seiner Bedeutung, Beziehungen zu anderen Wörtern herzustellen. Eine Valenz, die auf der bedeutung basiert, haben nicht nur die Verben, sondern auch die Wortarten Substantiv, Adjektiv, Adverb;

           Dabei unterscheiden wir solche Aktanten, die unbedingt stehen müssen, damit der satz grammatisch richtig wird (obligatorische Glieder), und welche unter bestimmten Bedingungen stehen können (fakultative Glieder).



        

Stufen der Valenzanalyse


          Die Valenz eines Verbs wird in drei Stufen untersucht.

Auf der I. Stufe (Wertigkeitsstufe) wird die quantitative Analyse vorgenommen. Es wird festgestellt, wieviel Mitspieler vom Verb gefordert werden, das heiβt, wieviel Leerstellen das Verb in einem minimalen Satzmodell eröffnet.

         Nehmen wir das Verb besichtigen. Um einen Satz zu bilden, braucht das Verb minimum zwei Mitspieler:

        Wir besichtigen die Ausstellung.

        Wenn wir die Ergänzung die Ausstellung weglassen, so ist der satz ungrammatisch:  * Wir besichtigen.[17]

 Ohne den zweiten Mitspieler hat das Verb keine satzbildende Kraft. Zeichnen wir den Stellenplan des Satzes: ... besichtigen ...

        Das Verb besichtigen eröffnet zwei Leerstellen, dieses Verb ist zweiwertig. Man beschreibt seine Wertigkeit auf solche Weise: besichtigen2.

        Es gibt nullwertige, einwertige, zweiwertige, dreiwertige Verben.

        Als nullwertige gelten unpersönliche Verben: Es scheint. Es regnet. Es donnert. Hier ist die erste Stelle nur formal ausgefüllt. Nach  W. Schmidt aber sind solche  Verben einwertig (einstellig), weil das unpersönliche es eine Stelle vertritt.[18]

       Einwertig sind die Verben, die mit einem Mitspieler einen grammatisch richtigen Satz bilden:  schlafen1, arbeiten1, lachen1 u.a.

        Das Kind schläft. Der Vater arbeitet. Das Mädchen lacht.

        Zweiwertig sind die Verben – besuchen2, gefallen2, vertrauen2 u. a.

Vgl.:   Er besucht seinen Freund. Der Film gefällt mir.

       Dreiwertige Verben – legen3, beibringen3, verdanken3 u.a.  eröffnen drei Leerstellen:    Er legt das Buch auf den Tisch.

                       Der Kranke verdankt dem Arzt seine Genesung.

                       Der Lehrer bringt den Schülern das Rechnen bei.

       Auf quantitativen Stufe wird  zwischen der obligatorischen und der fakultativen Valenz unterschieden. Es gibt Verben, die in einem Kkontext nur eine Leerstelle eröffnen, in einem anderen - zwei Leerstellen. In der tradizionellen Grammatik werden solche Verben halbtransitive Verben genannt. Das sind  die Verben lesen, singen, tanzen, studieren u. a. Das Satzminimum[19] kann beei solchen Verben verschieden sein:  Er liest. Oder: Er liest ein Buch.

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