Deutsche Sprachgeschichte
Thema I. Entstehen und Entwicklung der deutschen Sprache.
Plan
1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
2. Die deutsche Gegenwartssprache, ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten
der deutschen Sprache.
3. Verwandtschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
5. Vorgeschichte der deutschen Sprache.
6. Das Werden der deutschen Sprache. Das Wort " deutsch ".
7. Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frьhhochdeutsch, Neuhochdeutsch.
1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
Diese theoretische Disziplin muЯ die Studenten mit den Anfдngen der
deutschen Sprache vertraut machen. Die Aufgabe dieses Lehrgangs besteht in
folgendem :
1) sprachliche Prozesse zu erklдren, die die deutsche Sprache zu dem
heutigen Zustand gebracht haben;
2) den systematischen Charakter der historischen Wandlungen in der Sprache
und den
Charakter der Zusammenhдnge zwischen den Verдnderungen im phonetischen und
grammatischen Sprachbau aufzudecken;
3) sprachliche Erscheinungen zu erklдren, die heute Ьberreste der
ehemaligen Perioden der Sprachgeschichte sind;
4) die Beziehungen zwischen der Geschichte der deutschen Sprache und der
Geschichte
der deutschsprachigen Gesellschaft zu verfolgen.
Fьr diesen theoretischen Lehrgang sind 32 Stunden vorgesehen:
16 Stunden fьr die Vorlesungen und
16 Stunden fьr die Seminare.
Der Lehrgang schlieЯt sich mit einer Prьfung ab.
2. Die deutsche Gegenwartssprache , ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten der deutschen Sprache.
Die deutsche Sprache ist Staatssprache in Deutschland , Цsterreich und
Liechtenstein und ist eine der vier offiziellen Sprachen in der Schweiz und
eine der Sprachen in Luxemburg.
Die Zahl der Deutschsprechenden betrдgt in diesen Lдndern ьber 110
Millionen Menschen.
Die deutsche Gegenwartssprache hat einige historisch bedingte
Existenzformen :
1) die gemeindeutsche nationale Literatursprache,
2) deutsche Territorialdialekte ( Lokalmundarten ),
3) stдdtische Halbmundarten und Umgangssprache.
Die wichtigste Existenzform der deutschen Gegenwartssprache ist die
deutsche nationale Literatursprache ( Hochdeutsch, Hochsprache ). Sie ist
in den deutschsprachigen Staaten die Sprache der schцnen Literatur und
Kultur , der Wissenschaft , der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ,
die Amtssprache und Schulsprache, die Sprache des цffentlichen Verkehrs und
auch die gepflegte Sprache des privaten Umgamgs ( die literatursprachliche
Alltagssprache ).
In den deutschsprachigen Lдndern weist die deutsche Literatursprache
gewisse Eigenheiten im Wortschatz , in der Aussprache , in Wort - und
Formenbildung auf.
- 1 -
Man unterscheidet nationale Varianten der deutschen Literatursprache
Deutschlands , Цsterreichs und der Schweiz. So sagt man in Цsterreich
Jдnner fьr Januar, Kleider -kasten fьr Kleiderschrank. In der Schweiz heiЯt
es Rundspruch fьr Rundfunk, anlдuten fьr anrufen u. a. m. ( s. Mo. S.24 )
Deutsche Territorialdialekte sind die дlteste Existenzform der deutschen
Sprache. Sie haben sich im mittelalterlichen Deutschland gebildet. Heute
sind sie in schnellem Rьckgang begriffen. Man teilt die deutschen
Territorialdialekte in Niederdeutsch ( Platt- deutsch ) und Hochdeutsch
ein , Hochdeutsch gliedert sich in Mitteldeutsch und Ober-deutsch unter. (
Karte der deutschen Dialekte ).
Dialekt oder reine Mundart wird heutzutage nur von den дltesten Leuten in
Dцrfern und
gebirgigen Gegenden gesprochen.
Also hat der Terminus " Hochdeutsch " zwei Bedeutungen :
1) hochdeutsche Dialekte ( Mitteldeutsch und Oberdeutsch )
2) Hochsprache zum Unterschied von den Mundarten und von der
Umgangssprache. Stдdtische Halbmundarten und Umgangssprache stehen zwischen
der Literatursprache
und Lokalmundarten ( Territorialdialekten ). Sie sind eine weit verbreitete
Sprachform. Die stдdtischen Halbmundarten bilden sich in der
frьhbьrgerlichen Zeit mit dem Aufkom men und mit dem Wachstum der Stдdte
durch Sprachmischung und Sprachausgleich heraus. Sie haben die primдren
Merkmale der Mundarten eingebьЯt (beseitigt ) und nur die sekundдren, die
weniger auffдlligen Besonderheiten der heimischen Mundarten beibehalten,
z.B. im Berlinischen heiЯt es " Jans " fьr " Gans ", oder " Kopp " fьr "
Kopf ".
Heutzutage sind groЯlandschaftliche Umgangssprachen bzw.
Ausgleichssprachen
( z.B. Obersдchsisch, Berlinisch, Pfдlzisch, Bairisch, Schwдbisch,
Wьrttembergisch u.a.m. ) die Hauptarten der Umgangssprache nicht nur in den
stдdtischen und Industrie- gebieten, sondern auch auf dem Lande. Sie
existieren parallel zur literatursprachlichen Alltagsrede und unterscheiden
sich von ihr durch grцЯere oder geringere landschaftliche Fдrbung.
3. Verwandschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
Die deutsche Sprache gehцrt zum germanischen Sprachzweig der
indoeuropдischen Sprachfamilie.
Die Verwandtschaft der germanischen Sprachen beruht auf gemeinsamer
Abstammung von den Stammesdialekten der alten Germanen. Sie lebten um die
Mitte des I. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung rund um die westliche
Ostsee, zwischen der Oder und der Elbe, in Jьtland und in Skandinavien und
waren in einige groЯe Stammesverbдnde zusammengeschlossen. Mit dem Wachstum
der Stдmme vollzog sich ihre Aufspaltung und das brachte noch vor Beginn
unserer Zeitrechnung die sprachliche Aufspaltung herbei. Aus den
germanischen Stammesdialekten bildeten sich spдter mehrere germanische
Sprachen.
Man gliedert die altgermanischen Sprachen in drei Gruppen :
1) nordgermanische ( oder skandinavische ) Sprachen, ( Altschwedisch,
Altnorwegisch,
Altislдndisch );
2) westgermanische Sprachen ( Altenglisch, Althochdeutsch,
Altniederlдndisch, Alt-
friesisch );
3) ostgermanisch ( Gotisch als Sprache bestand zum 7. Jahrhundert ).
Heutzutage unterscheidet man zwei Gruppen von germanischen Sprachen :
nordgermanische ( skandinavische ) Sprachen :
- 2 -
1. Schwedisch
2. Dдnisch
3. Norwegisch
4. Islдndisch
5. Fдrцisch ( die Sprache der Fдrцer, wird auf den Fдrцen - Inselgruppe im
Nordatlantik
- gesprochen )
westgermanische Sprachen :
1. Deutsch
2. Englisch
3. Niederlдndisch
4. Friesisch ( in den Niederlanden , Niedersachsen in der BRD, auf den
Friesischen
Inseln )
5. Afrikaans ( eine der Staatssprachen der Republik Sьdafrika, neben
Englisch )
Die Verwandschaft der germanischen Sprachen kann man auch heute trotz
jahrhun-derte langer eigenstдndiger Entwicklung feststellen. Sie kommt :
a) im gemeingermanischen Wortschatz, b) in der Morphologie, c) in der
Wortbildung zum Ausdruck.
a) Der gemeingermanische Wortschatz, z.B. :
d. Vater Wort bringen
e. father word bring
nl. vader woord brengen
schw. fader ord bringa
b) Der Ablaut der starken Verben, z.B. :
d. trinken - trank - getrunken
e. drink - drank - drunk
nl. drinken - dronk - gedronken
schw. dricka - drack - drucken
c) Wortbildunssuffixe :
d. - schaft - Freundschaft
e. - ship - friendship
nl. - schaЯ - vriendschaЯ
schw. - skaЯ - vдnskap
4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
Die Geschichte der deutschen Sprache lдЯt sich in einige Perioden
gliedern. Kriterien dafьr sind :
a) Wandel des Sprachkцrpers, d.h. Wandlungen im phonologischen System,
in Formenbestand, Wortbildung und Wortschatz, die sich im Laufe von
Jahrhunderten all-mдhlich anhдufen und betrдchtliche Verдnderungen in der
Sprache hervorrufen.
b) Wandel der Existenzformen der Sprache : ob die Sprache nur in
gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt, ob sie nur in
Form von Mundarten lebt oder auch ьbermundartliche Existenzformen hat.
Die дltesten deutschen Schriftdenkmдler stammen aus dem VIII. Jh. Die
Geschichte der deutschen Sprache wird also seit dem Beginn der sprachlichen
Ьberlieferung bis zur Gegenwart in folgende Perioden gegliedert :
Althochdeutsch (Ahd ) - von 750 bis um 1050;
Mittelhochdeutsch ( Mhd ) - von etwa 1050 bis um 1350 ;
Frьhneuhochdeutsch ( Fnhd ) - von etwa 1350 bis um 1650 ;
Neuhochdeutsch ( Nhd ) - von etwa 1650 bis zur Gegenwart.
- 3 -
Thema II. Vorgeschichte der deutschen Sprache
Plan
1. Die alten Germanen und ihre Sprachen.
2. Urgermanisch.
3. Urgermanische phonologische Neuerungen. Die Akzentverschiebung.
Die erste ( I ) germanische Lautverschiebung
Das Vernersche Gesetz
Der traditionelle grammatische Konsonantenwechsel
1. Die deutsche Nationalitдt ist aus den westgermanischen GroЯstдmmen im
frьhen Mittelalter hervorgegangen . Deshalb mьssen wir zuerst ьber die
alten Germanen und
ihre Sprache sprechen.
Die Germanen sind aus einer Gruppe von urindoeuropдischen Sippen und
Stдmmen entstanden. Die Entwicklung des germanischen Volkstums mag im
dritten Jahrhundert v.u.Z. begonnen haben. Um diese Zeit lebten die
Germanen in Sьdskandinavien, an der Ostseekьste, auf der Halbinsel Jьtland
und im Raum der Elbmьndung. Hier hat sich im Laufe der jahrtausendelangen
Sonderentwicklung, vermutlich zwischen 3000 - 1000